In Japan, in dem ich zwei Jahre lang in der Hauptstadt der Insel Hokkaido leben und arbeiten durfte, habe ich eines sehr schnell gelernt: Einer der wichtigsten Regeln in der Kommunikation und im Umgang mit anderen ist es, den anderen immer das Gesicht wahren zu lassen.

In Japan leben 130 Millionen Menschen auf teilweise engstem Raum zusammen. Die Bilder von weiß behandschuhten Herren, die die Menschen während der Hauptzeit des Pendelverkehrs in Tokio in die U-Bahnen schieben, lösen bei uns Befremden und Erstaunen zugleich aus. Dieses Zusammenleben auf engstem Raum ist nur möglich, wenn sprachlich höflich miteinander umgegangen wird und Meinungsverschiedenheiten so ausgetragen werden, dass man auch danach noch miteinander reden und Beziehungen aufrecht halten kann. Dem liegt die Haltung zugrunde sich immer zu fragen: Welchen Einfluss hat mein Tun auf das Ganze? Wie kann ich meine Interessen vertreten und durchsetzen und dabei Eleganz bewahren und diplomatisch vorgehen? Eben so, dass der andere sein Gesicht wahren kann? Ähnlich wie in der Diplomatie haben Japaner ein feines Gespür für nichtverbale Kommunikation und Kommunikation zwischen den Zeilen. Auch wenn das Wort „Nein“ nicht gebraucht wird, so gibt es elegante Möglichkeiten dem Gegenüber klar zu machen, dass man mit einer Meinung nicht konform geht oder eine andere Vorstellung zur Lösung eines Problems hat.

Diese Herangehensweise braucht ein grundsätzliches Wohlwollen und die Unterdrückung des Drangs dem anderen einmal so richtig die Meinung zu sagen. Manchmal täte man das gerne, um seinem Ärger Luft zu machen oder weil man der Meinung ist, ein reinigendes Gewitter würde der Beziehung gut tun.

Doch ein wichtiger Punkt im Miteinander und in der Kommunikation mit anderen in Japan ist der Punkt dass man im Gespräch niemals ausfällig laut oder in irgendeiner anderen Form kompromittierend auftreten sollte. Dies würde das Gegenüber in eine peinliche Situation bringen und eben genau „das Gesicht verlieren“ bedeuten. Darum heißt es hier immer die Ruhe bewahren und lieber einen Moment Pause einlegen als in ein Streitgespräch zu geraten. Denn hat ein Japaner einmal einen Gesichtsverlust erlitten, gerät der sonst so taktvolle und auf Harmonie bedachte Japaner in haltlose Wut.

Diese Grundsätze finden sich auch in der Diplomatie wieder. Nur dass es hier nicht um Kommunikation in einem dicht besiedelten Land geht, sondern um das Management der komplexen internationalen Beziehungen weltweit und die Durchsetzung handfester Interessen. Diese Komplexität der Beziehungen lässt sich durchaus auch auf global agierende Unternehmen übertragen, die in einem komplexen internationalen Umfeld mit Kunden und Lieferanten aus teilweise ganz unterschiedlichen Kulturkreisen genauso geschickt langfristig kommunizieren und verhandeln müssen wie mit ihren weltweit verstreuten Mitarbeitenden.