Geht es Ihnen manchmal wie mir: Schwanken Sie auch zwischen Faszination und Grausen, wenn Sie erleben wie Digitalisierung, Crowdworking oder künstliche Intelligenz gerade unsere Lebens- und Arbeitswelt revolutionieren? Fragen Sie sich manchmal welchen Einfluss diese Veränderungen auf unsere Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikation haben bzw. haben werden? Ob menschliche Beziehungen für den Unternehmenserfolg noch Bedeutung haben werden? Und wenn ja, wie werden diese in Zukunft wohl gestaltet werden? Partizipation oder die Wiederentdeckung des Lagerfeuers ist das neue Beziehungsmanagement.

Partizipation als Teil einer neuen Unternehmenskultur

Angesichts der rasanten Veränderungen fällt es uns zunehmend schwer, Schritt mit dem Tempo unserer selbst losgetretenen Innovationslawine zu halten. Wir fühlen uns überfordert und ohnmächtig, ausgegrenzt und austauschbar. Wo Identifikation und Sinn des eigenen Tuns auf der Strecke bleiben, folgt die innere Emigration. Wirtschaft droht, unmenschlich zu werden.

Wenn wir die vierte industrielle Revolution als Gesellschaft erfolgreich meistern wollen, muss der Mensch in den Fokus rücken. Ein persönliches Miteinander, von Mensch zu Mensch, ist das Gebot der Stunde. Einige Unternehmen haben dies erkannt und widmen dem Beziehungsmanagement volle Aufmerksamkeit. Sie setzen auf regen Austausch und das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen. Partizipation heisst für sie nicht nur Teilhabe an technischer Weiterentwicklung, sondern auch Teil einer neuen Unternehmenskultur zu sein.

Partizipation ist das neue Beziehungsmanagement

Mails verschicken und beantworten gehört für jeden von uns wie das Telefonieren zum Tagesgeschäft. Wer den Anschluss in der digitalen Welt nicht verlieren will, setzt ebenso regelmässig Posts in die sozialen Online-Netzwerke ab. Die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht bleibt dabei häufig auf der Strecke. Arbeitsmodelle wie Crowdworking oder der Einsatz künstlicher Intelligenz tragen ebenso dazu bei, dass die Rolle menschlichen Miteinanders in den Hintergrund rückt. Doch gerade im gemeinsamen Reden steckt mehr Potenzial als das vielbeschworene Arbeiten 4.0 ihm zugestehen mag. Das gesprochene Wort, von Mensch zu Mensch, Auge in Auge, eröffnet Arbeitgebern gleich auf mehreren Ebenen Chance auf Gewinn.

Persönliche Kommunikation schafft Vertrauen

Zum einen sehnt sich jeder Mitarbeiter nach persönlicher Ansprache. Anerkennung und Zuneigung gehören zu unseren Grundbedürfnissen. Daran ändert auch technischer Fortschritt nichts. Nie wird eine Mail die gleiche Wirkung erzielen, wie es Händedruck, Blick und persönliche Worte eines Vorgesetzten vermögen. Das bewusste Beziehungsmanagement hat in unserer schnelllebigen Zeit an Bedeutung gewonnen – aller Rationalisierung, Optimierung und technischer Weiterentwicklung zum Trotz. Zum anderen generiert der direkte Austausch in gemeinsamer Runde für Unternehmen Mehrwert – wenn Gespräche gezielt gestaltet werden. Dann entstehen neue Ideen, geboren von Mitarbeitern, die sich gegenseitig im Gespräch Perspektiven eröffnen. Wem bei solchen Zusammenkünften Gehör geschenkt wird, der fühlt sich zudem wahrgenommen und integriert. Das schafft Bindung und Identifikation.

Digitaldiät als Wettbewerbsvorteil

Wer dem entgegenhält, für solche Vorgehensweise sei die Zeit zu knapp und Firmen seien kein Sandkastenparadies, dem sei gesagt: Die Zeit, die fürs gemeinsame Reden aufgewendet wird macht sich in der Regel mehr als bezahlt. Wenn der Raum für den gemeinsamen Dialog klare Strukturen hat, die Gesprächsführung in grosser Runde also gezielt gestaltet wird, kann diese Form der Kommunikation sehr effektiv für Unternehmen sein. Mitarbeiter wachsen als Team leichter zusammen, Haltungen werden besser implementiert, das Vertrauen wächst. Aber noch entscheidender ist: Das Wissen und Potenzial aller wird erschlossen und zugänglich, um der gemeinsamen Sache zu dienen. Und das ist in unserer immer komplexer werdenden Arbeitswelt ein unbezahlbarer Wettbewerbsvorteil.

Mit Digitaldiät ist hier keine Revolution gegen Digitalisierung und Co. gemeint, sondern der sinnvolle Einsatz der neuen Technologien und Möglichkeiten. Ganz im Sinne von Paracelsus’ Lehre ‚Die Menge macht das Gift’. Nutzen Sie also Partizipation als sinnvolles und wohltuendes Gegengewicht zu Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Co.

Raum für gute Gespräche

Die Diplomatie weiss seit jeher, dass gute Gespräche essentiell dafür sind, Menschen für eine Sache zu gewinnen, Vorbehalte zu überwinden und Lösungen zu initiieren. Dieses Wissen stammt aus einer Arbeitswelt 1.0, als Urvölker gemeinsam ums Feuer sassen und mit ihrem Häuptling als Moderator Wissen und Erfahrungen teilten, um im Dialog Vorgehensweisen und Problemlösungen entwickelten. Der Einzelne steuerte etwas bei, die Gesamtheit profitierte. Ein Gespräch, das kennt jeder Diplomat, kann entscheidende Nuancen in der Kommunikation und persönliche Bedürfnisse wesentlich leichter und reichhaltiger als Licht bringen, als es jeder Schriftverkehr oder ein Telefonat könnte. Wer lediglich aus Zeitgründen – und nicht aufgrund grosser räumlicher Entfernung – auf diese Möglichkeit verzichtet, verzichtet auf Innovation, Entwicklung von Teamgeist und eine Vertiefung der Beziehungen.

Die Wiederentdeckung des Lagerfeuers

Das aber sind die berühmten soft skills, die das Rad des Erfolgs in Unternehmen in Gang halten. Dem gesprochenen Wort kommt dabei besondere Bedeutung zu: Die gezielte Gestaltung von Gesprächen generiert Ideen, Engagement und Akzeptanz, schafft Bindung und Identifikation. Sie verleiht der Arbeit das, wonach wir uns in diesen Zeiten sehnen – ein menschliches Antlitz.

Unternehmen, die das erkannt haben, setzen deshalb aufs Lagerfeuer 4.0 – in Form von interaktiven Kommunikationsplattformen, die den Dialog auch innerhalb einer grossen Gruppe in den Vordergrund rücken.

Open Space – der Marktplatz des 21. Jahrhunderts

Das Treffen auf dem Marktplatz eignet sich besonders für Change- oder Strategieprozesse, die angestossen werden sollen. Ohne Agenda darf hier jeder, wie eine Grossfamilie im afrikanischen Kraal, zu einer übergreifenden Frage sein Anliegen äussern. In der anschliessenden Besprechungsphase nehmen die Marktbesucher nur an jenen Themenrunden teil, die sie wirklich interessieren, sie wählen sozusagen ihre favorisierten Marktstände zum Austausch. Diese Freiheit fördert Engagement und Enthusiasmus bei den Teilnehmern. Nach erstaunlich kurzer Zeit erntet der Marktveranstalter bei der finalen Präsentation auf dem Marktplatz Ergebnisse, die von allen getragen werden – ein hervorragender Weg, um die Potenziale einer heterogenen Gruppe zu heben.

World Café – Wiener Kaffeehauskultur re-invented

Die Zusammenkunft im Stile eines Kaffeehauses generiert innovative Vorschläge, besseres Teamwork oder eine Vertiefung von Kundenbeziehungen. Die Kaffeehausbesucher erarbeiten zu Viert oder Fünft an kleinen Tischen zentrale Fragestellungen, die sich am besten gemeinsam beantworten lassen. Rot-weiss-karierte Tischtücher und Blumen sorgen für ein Caféambiente. Ein Teilnehmer pro Tisch fungiert als Gastgeber und bleibt an ‚seinem’ Tisch. Die restlichen Teilnehmer wechseln nach jeder Runde die Tische. Die Gastgeber fassen die Highlights der vergangenen Gesprächsrunde für die neuen Gäste zusammen. Wie mit einer guten Zufalls- oder Wahlbekanntschaft im Kaffeehaus entstehen hier fruchtbare Gespräche, die neue Ideen oder Einsichten hervorbringen. Dabei halten sich alle Gäste an die Café-Etikette, u.a. Fokus auf das legen, was wichtig ist, Sprechen und Hören mit Herz und Verstand, nicht bewerten und urteilen, Ideen verbinden und – das unterscheidet das Kaffeehaus von seinem Pendant ausserhalb der Unternehmensmauern – nach Lust und Eingebung munter auf die Tischdecke kritzeln und malen. Nach drei Runden werden die Erkenntnisse des Kaffeehaustages allen präsentiert.

Erfolg 4.0 braucht Mensch 4.0

Die Wahl der Methode wird von den angestrebten Ergebnissen bestimmt, aber die Basis ist stets dieselbe: konstruktiv zusammenarbeiten – und Auge in Auge kommunizieren.

Hier liegt der Schlüssel für den Erfolg 4.0: Partizipation und persönliche Gespräche, die Vertrauen und Zuversicht schüren in das, was vor uns liegt, und Lösungen generieren, die aus der Mitte der arbeitenden Menschen stammen. Wer dieses notwendige menschliche Gegengewicht ausser Acht lässt, gerät ins Wanken. Tragfähig ist nur das, was von allen getragen werden kann.