Gestern habe ich Alexander van der Bellen, den neuen österreichischen Bundespräsidenten bei einem Empfang ihm zu Ehren in Bern getroffen.

Im persönlichen Gespräch kam er unglaublich sympathisch rüber, menschlich, fast ein wenig scheu ob der ganzen Ehrerbietung, die ihm an diesem Abend von seinen Landsleuten zuteil wurde. Seine verbale Zurückhaltung und besonnene Kommunikation hat ihm im Dezember 2016 zum Wahlsieg verholfen.

Ein Rückblick auf den Wahlkampf

Es war ein Sieg der Vernunft über die Wut an den Stammtischen. Ein Triumph der auf Frieden bedachten Wertegemeinschaft über das riskante Zündeln politischer Brandstifter. Im zweiten Anlauf entschieden sich die Österreicher eindeutig: Alexander van der Bellen gewann mit 53,3 Prozent der Stimmen die Bundespräsidentenwahl 2016. Vorausgegangen war diesem Ergebnis ein Wahlkampf, der in der Kommunikation unter die Gürtellinie ging.

Verbrannte Erde

Van der Bellen, ehemaliger Parteichef der Grünen, hatte in Norbert Hofer von der Freiheitlichen Partei Österreich (FPÖ) einen politischen Gegner, der sich für keinen Trick zu schade war, um das Image van der Bellens zu demolieren. Hofer versuchte, ihn als Nazi zu diskreditieren, dann wieder als verirrten Kommunisten darzustellen. Das Fazit war immer dasselbe: Der andere ist ein Lügner. Dafür positionierte Hofer sich als Retter Österreichs, der den Austritt aus der EU nicht, den Beitritt der Türkei dafür umso vehementer ausschloss und die Muslime im eigenen Land gerne in ihre Heimatländer zurückschicken würde.

Smarte Kommunikation gewinnt langfristig

Doch wenn die US-Präsidentenwahl eines deutlich vor Augen geführt hat, dann das: Es ist zu billig, einen Kandidaten aus einem einzigen Grund zu wählen – um dem anderen, vornehmlich dem „Etablierten“, eins auszuwischen. Demokratie heisst, von seinem Mitbestimmungsrecht Gebrauch zu machen und sich einzubringen. Wir sind in unserer westeuropäischen Überflussgesellschaft sehr bequem geworden. So bequem, dass wir Frieden und Freiheit als selbstverständliches, unverrückbares Gut betrachten. Tatsächlich aber ist es eine dauerhafte Verpflichtung eines jeden von uns, in einer Wertegemeinschaft für die Werte einzustehen und sie aufrechtzuerhalten. Die Flüchtlinge, die zu uns strömen, führen es uns drastisch vor Augen: In anderen Teilen der Welt sind diese Werte verloren gegangen. Wertegemeinschaften werden durch Kriege und Machtspiele brutal zerstört.

Mit Diplomatie zum Ziel

Während Norbert Hofer mit dem Alleingang liebäugelte, setzte van der Bellen auf Verbindung und schöpfte damit aus jenem Wissen, über das die Diplomatie seit jeher verfügt: Verständigung, internationale Vernetzung und Zusammenarbeit bereiten den Boden, auf dem Frieden wächst. Sein Slogan „Vernunft statt Extreme“ brachte die Österreicher offensichtlich zum Nachdenken. Das heisst nicht, dass sie mit van der Bellen das Optimum gewählt haben. Aber sie haben sich für den Erhalt ihrer Wertegemeinschaft ausgesprochen und erkannt, was sie durch eine Protestwahl opfern würden. Denn die Haltung, die Hofer vertritt, ist alles andere als diplomatisch, das verriet seine Kommunikation in diesem Wahlkampf deutlich.

Man darf nicht zündeln, auch nicht mit Worten. Erst wird der Umgangston ruppiger, dann das Verhalten. Der jüdische Talmud sagt: Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Beispiel Flüchtlingsdiskussion: Wenn wir fremde Menschen im Arbeits- wie im Alltagsleben zunehmend als potenzielle Quelle von Störungen, Belästigungen und feindlichen Attacken betrachten, wie wollen wir dann friedlich miteinander leben und arbeiten? Wer mit Worten zündelt, erntet eines Tages einen Flächenbrand. In unserer krisenreichen Zeit benötigen wir eine Haltung des Wohlwollens anderen gegenüber, um Lösungen für die Probleme zu finden statt eine Haltung der Abgrenzung zu pflegen.

Gemeinsam werden Probleme gelöst

Der österreichische Wahlkampf der Kandidaten führte es schmerzlich vor Augen: Je stärker wir verbal entgleisen, desto mehr entfernen wir uns von gemeinsamen Werten. Im täglichen Umgang ist dringend eine andere Sprache in der Kommunikation nötig: achtsam, wertschätzend, deeskalierend. Die Diplomatie betrachtet andere nicht als potenzielle Gegner, sondern als mögliche Verbündete. Ein Diplomat denkt konstruktiv, nicht destruktiv: Welche gemeinsamen Ziele – und seien sie noch so kurzfristig – könnten ihn und einen völlig Fremden veranlassen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um ein grösseres Ziel zu erreichen? Die Österreicher hatten offenbar ein gemeinsames Ziel, als sie sich mehrheitlich für van der Bellen entschieden: die Position Österreichs im internationalen Verbund nicht zu schwächen und weiter auf Zusammenarbeit zu setzen. Ein Signal, das hoffnungsvoll stimmt für die Herausforderungen, denen wir uns derzeit stellen müssen.